
Reiseberichte
So war unsere Enduro-Reise durch Tadrart, Tassili und über die Gräberpiste in Algerien im November 2019
Erstmals seit 2003 konnten wir die legendäre, Gräberpiste genannte Route wieder fahren
Wenige Wochen vor Reisebeginn teilt mir die algerische Reise-Agentur, mit der ich seit über 20 Jahren zusammenarbeite mit, dass es wieder möglich sei, die Fahrgenehmigung für die "Gräberpiste" zu erhalten - das erste Mal seit 16 Jahren.
Meine acht Gäste sind begeistert, als ich vorschlage, die "Gräberpiste" in die Route der diesjährigen WÜSTENFAHRER-Algerien-Reise einzubauen. Möglich ist das im Zeitrahmen der Reise durch Benutzung eines "Gabelfluges": Hinzu fliegen alle nicht wie sonst in die Stadt Illizi, sondern nach Djanet. Nachhause geflogen wird nach Befahrung der "Gräberpiste" von Illizi.
Als Einstieg in die Strecke wähle ich das Tuareg-Dorf Tamadjert im Inneren des Tassili N'Ajjer. Diese Strecke bin ich das letzte Mal vor genau 30 Jahren auf einer der ersten WÜSTENFAHRER-Reisen gefahren. Einen GPS-Track gibt es daher nicht, denn damals navigierte man noch mit Kompass und Karte.
Unser Guide kennt die Strecke aber - was nicht selbstverständlich ist, denn auch für Einheimische war das Gebiet zwischen Amguid, Erg Tifernine und dem westliche Teil der "Gräberpiste" seit den Touristen-Entführungen im Jahr 2003 gesperrt. Heute verstecken sich keine Rebellen mehr in dieser abgelegenen, aber wassereichen Gegend, weshalb auch wir wieder dorthin fahren dürfen.
Teilnehmer Tony - 1989 war er mit dabei - erzählt den Anderen natürlich vom "Tal der Dellen". So nannten wir damals das tiefsandige, mit unzähligen Steinen "garnierte" Oued Tahaft wegen der an dem einen oder anderen Motorrad entstandenen Beulen in den Blechtanks. Solche hatten die damals für Sahara-Reisen üblichen Motorräder - und waren im Vergleich zu heutigen Enduros bleischwer und miserabel gefedert.
In Djanet beginnt unsere Reise also. Den WÜSTENFAHRER-Truck habe ich in einer Woche von zuhause dorthin gefahren. Nach dem Abladen der Motorräder und dem Umladen von Gepäck, Ausrüstung, Verpflegung, Wasser und Sprit auf die beiden Pickups unserer Tuareg-Begleiter, fährt ihn ein Mitarbeiter der uns betreuenden algerischen Reise-Agentur zurück zum 400 Kilometer nördlich gelegenen Illizi.
So schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens sind Auto und Anhänger dort, wo wir sie am Reiseende brauchen. Zweitens ist es mir möglich, die gesamte Reise per Enduro zu leiten - für mich natürlich viel schöner als im Auto, für meine Gäste Garantie für Fahrspass und Sicherheit.
Von Djanet unternehmen wir als erstes eine fünftägige Exkursion in das landschaftlich sensationelle Tadrart. Einen halben Tag brauchen wir für die 140 Strassenkilometer zwischen Djanet und dem "Tor" zum Tadrart. Die Strecke ist aber landschaftlich so toll, dass sich selbst die Sport-Enduro-Fahrer/innen unter uns nicht über die Asfalt-Fahrerei beschweren.
Die Tage in den Schluchten und Dünen zwischen Oued Indjerane, Moulay Naga und Tin Merzouga sind nicht nur landschaftlich, sondern auch enduristisch "der nackte Wahnsinn", wie es einer aus unserer Gruppe treffend zusammenfasst (siehe auch Ausschreibung der WÜSTENFAHRER-Algerien-Reise ZEITPLAN).
Nach einer weiteren Hotelübernachtung und ein bisschen Stadtbummel in dem ganz hübschen Djanet, geht es für die nächsten vier Tage durch das Tassili N'Ajjer. Diese grandiose Region ist landschaftlich anders als das Tadrart, aber genauso beeindruckend und fahrerisch ein Hochgenuß. Tikobaine, Dider, Tintehert, Tasset, Afarar, Mezririne und Ifedanouene sind Stationen unserer Fahrt durch das "Tassili". Dann erreichen wir das Tuareg-Dorf Tamadjert im Innern des Hoch-Plateaus. Es ist das Shangri-La, das "Tal der Glücklichen" - nicht für Himalaya-, sondern für Wüstenbewohner.
Ein Pausentag läßt uns in den Gueltas einer nahen Schlucht Badefreuden genießen. Und natürlich besichtigten wir auch die mit berühmtesten - wegen der abgebildeten Garamanten-Streitwagen - und interessantesten neolithischen Felsmalereien der algerischen Sahara.
Die Fahrt aus dem Talkessel von Tamadjert aufs Hoch-Plateau in Richtung Norden beginnt mit einer steilen Auffahrt über angewehte Dünen. Gäbe es die nicht, wäre die Felswand, die uns vom Oued Tahaft trennt, nur zu Fuß bezwingbar. Diesmal geht seine Durchfahrung übrigens ohne Beulen in Tanks ab. Doch einfach ist die Strecke auch mit heutigen Enduros nicht.
Von der Südspitze des gewaltigen Erg Tifernine "fliegen" wir geradezu entlang der Ostabdachung des Dünengebirges nach Norden - 180 km weit - bis wir auf die Reste der Anfang letzten Jahrhunderts im Zuge der französischen Kolonisierung Algeriens angelegten, zum Teil mit Strohballen "gepflasterten" Piste stoßen. Sie war von Anfang an eine Fehl-Konstruktion, wurde von den Dünen rasch wieder verschüttet.
Und sie war umkämpft. Wegen der noch immer sichtbaren, christlichen wie islamischen Gräberfelder bekam sie von den ersten Sahara-Touristen, die sich dorthin wagten - in den Siebziger-Jahren - den Namen "Gräberpiste".
Drei Tage und rund 350 km weit folgen wir ihr, bis wir die Stadt Illizi und damit das Ende dieser außergewöhnlichen Reise erreichen.
DIe Reise-Route war so ultimativ schön, dass sie ab jetzt im WÜSTENFAHRER-Programm bleibt. Unsere Algerien-Reise heißt also ab sofort nicht mehr "Südost-algerische Sahara-Highlights", sondern "Tadrart, Tassili, Gräberpiste".
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Ein ausführlicher Bericht über diese Reise ist in der Zeitschrift Enduro erschienen.
